erschienen in „WOZ” am 19.03.2015

Frank Adloff und Claus Leggewie (Hg.)
Das konvivialistische Manifest
Bielefeld 2014

Der Text ist auf so selbstverständliche Weise richtig – und auch die Art, in der er erarbeitet wurde –, dass er in dieser Welt sehr naiv wirkt. Wir wissen: Alle Krisen und Trends verstricken sich zunehmend in Wechselwirkung. Zeitgleich zerfleddern sich Politik und Wissenschaft in Disziplinen und zerreissen mit ihren Spezialisierungen Zusammenhänge.

Die rund fünfzig DenkerInnen des «Konvivialistischen Manifests» gehen seit 2010 in die andere Richtung: Die Gruppe aus meist französischen Intellektuellen und WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen und unterschiedlicher Überzeugungen erarbeitete gemeinsam dieses Manifest, das 2014 auf Deutsch als Büchlein veröffentlicht wurde. Mitherausgeber Klaus Adloff, Kultursoziologe, geht in der Einleitung auf die gedanklichen Ausgangspunkte ein. Unter Bezug auf die Werke des Technik- und Wachstumskritikers Ivan Illich und die bereits 1972 vom Club of Rome festgestellten «Grenzen des Wachstums» fordert diese Gruppe, dass die Menschen endlich mit zwei Glaubenssätzen brechen: Sie sollen nicht länger nur eigennützig denken und handeln, und sie sollen nicht länger an Sinn und Nutzen des wirtschaftlichen Wachstums glauben.

Um dem, was diese Gruppe als grösste Bedrohungen ansieht – ökologischem Raubbau, massloser sozialer Ungleichheit, zunehmenden kriegerischen Konflikten –, etwas entgegenzusetzen, plädiert sie im Sinn eines neuen Humanismus für die Zivilisierung der Finanz- und Rohstoffmärkte, die (Wieder-)Belebung des Prinzips des Gebens als Zeichen von Solidarität, den Aufbau fürsorglicher Gesellschaften, ein Mindest- und ein Höchsteinkommen und für eine Begrenzung des weltweiten Wohlstands auf das Niveau der reichsten Länder im Jahr 1970.

Der Anspruch der Gruppe: Sie formuliere damit den kleinen gemeinsamen Nenner aller alternativen Kräfte. Diese gelte es zu bündeln. Die Einleitung schliesst: «Zugegeben: Das klingt sehr naiv, doch darin liegt (…) die besondere Radikalität und Stärke des konvivialistischen Projekts.» Wer sich vom Begriff nicht abschrecken lässt, schaut weiter auf www.diekonvivialisten.de.

Die Wochenzeitung