erschienen in „WOZ” am 18.04.2013
Das gibt es selten: ein Buch von WissenschaftlerInnen, das als informativer Begleiter dient, um in diesem seit Jahren anhaltenden Krisenalltag besser zu verstehen, was aktuell in Ungarn passiert. Oder in Spanien. Oder Portugal, Griechenland, Italien, auch in Deutschland. Und was beim Krisenmanagement in Brüssel schiefläuft. Das Buch liefert ein Fundament für das tägliche Verstehen.
Es gründet auf der dreijährigen Arbeit einer Gruppe von ForscherInnen, die in zehn europäischen Ländern untersuchten, wie sich Sozialstaat, Wirtschaft und Arbeitsmarkt entwickelt und verändert haben. Im Jahr 2011 traf sich diese Gruppe wieder, um ihre Erkenntnisse vor dem Hintergrund der Euro- und Finanzmarktkrise zu überarbeiten. Die Texte in diesem Buch beantworten somit für diese zehn Länder die Fragen: Was ist der «hausgemachte Anteil» an der Krise des jeweiligen Landes? Was bewirkt die überwölbende Finanzmarktkrise? Und wie wirkt beispielsweise die Krise in Deutschland oder jene in Griechenland auf andere EU-Länder?
Auf jeweils zwanzig bis dreissig Seiten werden kompakt und verständlich die wesentlichen Veränderungen der letzten zwanzig Jahre in diesen Ländern analysiert und in den Kontext der aktuellen «grossen» Krise gestellt.
Die ForscherInnen sehen einen Prozess der permanenten Destabilisierung und zeichnen ein Europa in Gefahr: weil die amtierenden Regierungen unter dem bestimmenden Einfluss von Deutschland versuchen, die Krise mit eben jenen Instrumenten (Sparen, Beibehalten und Vergrössern von sozialer Ungleichheit) zu lösen, mit denen die Krise verursacht worden ist. Sie sprechen von einem «beispiellosen Dogmatismus».
Wer sich in besonderer Weise für diese Themen interessiert, wer in Politik oder Bildungsarbeit aktiv ist, dem oder der ist dieses an Analysen, intelligenten Deutungen und Faktenreiche Buch sehr empfohlen. Dass Steffen Lehndorff, einer der profiliertesten Arbeitsmarktforscher in Deutschland, als Herausgeber fungiert, dient als weiterer Ausweis für die Qualität dieser Analysen.